Inklusion

„Wie selbstverständlich einer dem andern hilft“

Hans-Carossa-Grundschule pflegt Zusammenarbeit mit Lebenshilfe in Partnerklassen

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Pilsting/Landau. (smm) Die Kinder sitzen im Kreis, schauen aufmerksam Lehrerin Pamela Alschinger an. Sie liest vor, wer mit wem zusammen arbeitet; werden die Namen aufgerufen, gehen die Kinder zu Lehrerin Dorothea Kagerer und holen sich die Utensilien ab. Manche nehmen ihre Arbeitspartner an der Hand. Ein bisschen unentschlossen bleiben sie auf dem Weg zum Klassenzimmer der 2c stehen. Es sind Gäste da: Das, was für die Kinder ganz normal ist, ist für sie etwas Besonderes. Eine besondere „Normalität“ hat sich in der Hans- Carossa-Grundschule durch die Zusammenarbeit der kommunalen Grundschule mit der Lebenshilfe Kreisvereinigung Dingolfing-Landau entwickelt.

 

Zehn Schüler der Lebenshilfe und 20 Schüler der Hans-Carossa-Schule lernen miteinander in Partnerklassen. Sie lernen mit ihren Mitschülern, aber auch durch sie. Sie achten auf ihre Besonderheiten, stärken ihre Schwächen und profitieren von ihren Stärken. „Inklusion“ ist in aller Munde; in Pilsting wird nicht nur darüber gesprochen, sie wird auch praktiziert. Am Mittwochvormittag haben die Gäste erlebt, dass – und wie es funktioniert. Zu einer Schaustunde sind seitens der Träger Udo Egleder, Vorsitzender der Lebenshilfe Kreisvereinigung Dingolfing-Landau sowie Jürgen Horn, Schulleiter der Lebenshilfe- Schule, nach Pilsting gekommen und seitens der kommunalen Einrichtung Bürgermeister Josef Hopfensperger und Marktkämmerer Franz Xaver Bauer sowie Rektorin Karolina Schober. Einig sind sie sich alle: Das Konzept in Pilsting funktioniert. Und es funktioniert gut. Das sei nicht zuletzt den Glücksgriffen zu verdanken, wie Karolina Schober Pamela Alschinger, Klassenlehrerin 2c, und Dorothea Kagerer, GS1, nennt.

Entwickelt hatten das Konzept Pamela Alschinger und Marion Oswald von der Lebenshilfe-Schule. Durch die Partnerschaft profitieren die Schüler der 2c immens: Ihre soziale Kompetenz wird gestärkt. Das umfasst ein breites Feld, vom Selbstvertrauen, über die Team- und Konfliktfähigkeit und Hilfsbereitschaft. Kompetenzen also, die im Beruf wichtig sind – und noch wichtiger im alltäglichen Leben. Und auch die Schüler der Lebenshilfe profitieren: durch die Hilfe, durch die Anerkennung – schlicht durch eine gewisse Normalität.

Fällt der Blick eines Erwachsenen ins Klassenzimmer, bleibt er sicher an dem grellgelben Hörschutz hängen, den einer der Schüler trägt. Er ist Autist, und die Kopfhörer schützen ihn vor die auf ihn einströmenden äußeren Einflüsse. Als ihm einer der anderen Schüler zugeteilt wird, schnappt er sich den Buben und verschwindet mit ihm, um seine Aufgaben zu erledigen. Der Bub sei ein sehr beliebter Schüler, sagt Pamela Alschinger. Sicherlich hatte man sich im Vorfeld Gedanken gemacht, das sagt auch Jürgen Horn: Was ist beispielsweise, wenn der Schüler, der stark autistisch geprägt ist, sich überlastet fühlt und für die anderen Schüler befremdlich reagiert? Doch dann, ergänzt Kagerer, haben sich die Bedenken in Luft aufgelöst – Kinder akzeptieren. Vorbehaltlos mit allen Schwächen, die ein Mensch haben kann.

Und der Schüler selbst meistere alles, so Horn, auf erstaunliche Art und Weise. Bei der Weihnachtsaufführung habe er in dem Stück der Partnerklassen den Posten als Erzähler gehabt und vor der voll besetzten Schulaula gesprochen, als sei es das Normalste auf der Welt. Für die Mitschüler sind die grellgelben Ohrschützer Normalität. Sie haben andere Wege gefunden, mit ihm zu kommunizieren. Seit dem Schuljahr 2012/13 besteht eine Zusammenarbeit zwischen der Lebenshilfe-Schule und der kommunalen Hans-Carossa- Grund- und Mittelschule. Die Schüler der jetzigen Partnerklasse sind erst ein halbes Jahr zusammen. Jede Klasse hat ein Zimmer, dazwischen gibt es einen Gruppenraum. Ein besonderes Augenmerk liegt natürlich darauf, dass die Lehrpläne erfüllt werden, sagt Udo Egleder. Die Schüler der 2c liegen immer gleich auf mit den Schülern der Parallelklassen. Das flexible Konzept ermöglicht das, erklären die Klassenlehrerinnen: Sie sprechen sich im Vorfeld ab. Manchmal sehen sich die Kinder nur in den Pausen, an anderen Tagen haben sie, beispielsweise, zusammen Musik- oder Kunstunterricht.

Insbesondere die musischen Fächer sind prädestiniert für eine Zusammenarbeit. „Das ganze Umfeld muss stimmen“, fügt Egleder hinzu. Für die Lehrkräfte sei das ein enormer Aufwand, sagt Franz Xaver Bauer. Und Jürgen Horn fügt später hinzu: „Der Erfolg dieser Inklusionsklasse steht und fällt mit dem Engagement der Lehrkräfte.“ Bei Pamela Alschinger und Dorothea Kagerer ist dieses Engagement da, es ist ihnen von den Augen abzulesen: Mit Enthusiasmus helfen sie den Kindern, Herz und Charakter zu bilden. In der Grundschule ist Individualisierung und Differenzierung der persönlichen Stärken und Schwächen der Schüler ein Teil der Lehrtätigkeit geworden. „Auch wenn wir nicht kooperieren würden“, sagt Alschinger. Insbesondere hob sie die Freude am Helfen hervor, die die Kinder hätten. Sie seien richtig wild darauf. Bürgermeister Josef Hopfensperger betont, dass von Anfang an klar war, dass die Marktgemeinde das Projekt unterstützt. Und dass die Kinder im Vordergrund stehen. Dann fügt er, sichtlich begeistert, hinzu: „Wie selbstverständlich eines dem anderen hilft!“ Auch Egleder sieht das so: Die intensive Zusammenarbeit nützt allen, voran den Kindern beider Klassen.

 Bericht und Foto
S. Melis, DA
 28.01.2016

Inklusion16

Rektorin Karolina Schober mit Bürgermeister Hopfensperger und Franz Xaver Bauer
zu Besuch bei den Klassen 2c und
GS1.

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