Säule im Bildungssystem

Ankerpunkt im Konfliktraum Schule

Intervention, Mediation, Moderation, Supervision: Vielfältige Arbeit der Schulpsychologen

Schulpsychologie k

Mit der Gesundheitskarte in der Hand ernten Eltern oft nur ein verschmitztes Lächeln der Schulpsychologen. Dieser angelernte körperliche Reflex bei Arzt und Psychologe ist dabei gar nicht vonnöten. Vielmehr sind die Angebote der landkreisweit tätigen Schulpsychologen jederzeit kostenlos, freiwillig und insbesondere vertraulich. Der größte Unterschied zur allgemeinen Psychologie besteht jedoch darin, dass im schulischen Kontext nur Kurzinterventionen, Mediationen und Diagnostik abzuarbeiten sind. Längerfristige Therapien und Begleitungen einzelner Schüler werden dementsprechend von anderen Akteuren im sozialen Netzwerk der Schulen oder bei externen Fachkräften durchgeführt.

Grundsätzlich ist die Schulpsychologie für die Grund- und Mittelschulen im Landkreis voll integriert in das Netzwerk aus Jugendsozialarbeitern, sonderpädagogischem Dienst, Beratungslehrern und Ähnlichen.

„Innerhalb dieses Systems lässt sich immer eine passende Kraft für die längerfristige Unterstützung eines Kindes finden“, erläutert Sylvia Schaffner, die in Teilzeit als Schulpsychologin tätig ist.

Gefühlter Druck des Übertritts

Da sich das dreiköpfige Team für die Jahrgangsstufen eins bis zehn zuständig zeigt, werden die Fachkräfte auch stets mit unterschiedlichsten Problemen, Sorgen und Nöten konfrontiert. Besonders hoher Bedarf besteht hierbei in den Grundschulen im Rahmen des Übertritts. „Durch diesen entsteht ein gefühlter Druck bei Kindern, Eltern und Lehrern“, diagnostiziert Max Bruckmoser, der sich als nun ehemalige Lehrkraft in Vollzeit der Schulpsychologie widmet. Ferner steigt gegen Ende der Grundschulzeit auch die Relevanz hinsichtlich Lern-, Lese- und Rechtschreibschwächen, welche vor allem diagnostische Arbeit der Schulpsychologen einfordern. „Es geht aber auch um Aufklärung der Eltern. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein Kind mit LRS nie der beste Rechtschreiber werden wird“, fügt Sylvia Schaffner hinzu.

Doch es öffnen sich auch immer wieder Fälle, die die Schulpsychologen an Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie weitergeben. Beispielsweise bei Angststörungen, Depressionen oder auch motorischen Auffälligkeiten mit psychosomatischem Hintergrund empfehlen die Fachkräfte, die allesamt auch ein Lehramtsstudium abgeschlossen haben, eine längerfristige Therapie.

Die Scheu vor dem Psychologen

Unabhängig von der Problematik ist es jedoch stets zentrale Aufgabe der Schulpsychologen, Ursachenforschung zu betreiben und entsprechend immer das soziale System eines Schülers einzubeziehen. Das zwischenmenschliche Gefüge, Kommunikationserfahrungen, die Bedingungen in der Schule und der pädagogische Umgang mit Auffälligkeiten sind Aspekte, die bei der Bewertung von Problemen wiederkehrend eine Rolle spielen.

Um den Schwierigkeiten der Schüler auf den Zahn fühlen zu können, müssen jedoch zunächst Hemmungen abgebaut und Vertrauen geschaffen werden. „Jugendliche zeigen oft eine gewisse Scheu. So hatte ich erst kürzlich einen Schüler, der einen Termin bei mir im Büro vereinbaren wollte, um in der Schule keine Aufmerksamkeit zu erregen“, verbildlicht Bruckmoser die oft aufzufindende Zurückhaltung gegenüber den Schulpsychologen. Der Wunsch nach Rat und Tat entspringt in 95 Prozent nämlich den Sorgen der Elternschaft. „Schulpsychologie geht immer über die Eltern“, sind sich die Fachkräfte einig. Allerdings gebe es auch den seltenen Fall, dass Jugendliche selbstständig auf Bruckmoser, Schaffner und Klar zukommen. Bei Heranwachsenden kann dieser explizite Wunsch auch Beratungsgespräche ohne Wissen der Eltern legitimieren.

Lehrer im Fadenkreuz aufgebrachter Eltern

In beiden Szenarien treten aber auch die Lehrer in Erscheinung, meistens in der Rolle des Vermittlers. Dank regelmäßiger Fortbildungen für Lehrer und Lehramtsanwärter hätten die Kollegien mittlerweile keine Berührungsängste mehr mit der Schulpsychologie. „Wir sind an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis bestens bekannt und vernetzt“, konstatiert Bruckmoser, der auch als Supervisor tätig ist. Im Rahmen von Einzel- und Gruppensupervisionen hat dieser nämlich ebenso die Aufgabe, sich um die Sorgen und Nöte der Kollegien zu kümmern. Emotionale Konflikte entstehen dabei nicht. Schließlich ist Bruckmoser schon seit vielen Jahren nicht mehr Teil der Kollegien und die notwendige Distanz zu den persönlichen Hintergründen der Lehrkräfte besteht.

Diese Distanz erweist sich ebenso bei der Notwendigkeit von Mediationen als essenziell. Jene Vermittlungsgespräche zwischen Lehrern und aufgebrachten Eltern, die Teile des Kollegiums ins Schussfeld ihres Ärgers nehmen, treten immer häufiger auf und erweitern so das Arbeitsfeld der Schulpsychologen.

Um den gestiegenen Bedarf abdecken zu können, wurden auch die zur Verfügung stehenden Lehrerwochenstunden für die Schulpsychologie erhöht, wodurch auch Melanie Klar zum Team hinzustieß. In Bezug auf ihr Studium an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt greift diese jedoch einen Aspekt auf, der der Erfüllung der Arbeitsziele in Niederbayern zuwiderläuft. „Einige meiner Kommilitoninnen haben sich nach dem Bachelor Schulpsychologie gegen ein Referendariat und für eine weitere akademische Ausbildung im Bereich der Psychologie entschieden“, erörtert Melanie Klar. In Bayern sind immer wenige schulpsychologische Fachkräfte verfügbar. Gestiegener Bedarf und gestiegene Wochenstunden können so erst gar nicht besetzt oder gar abgegolten werden.

Virtuelle Psychologie später als die Deutsche Bahn

Als weitaus hinderlicher als der Personalmangel bewies sich allerdings die Corona-Pandemie. Schulschließungen und Home-Schooling erübrigten die Arbeit der Schulpsychologie. „Virtuelle Psychologie war uns vonseiten des Kultusministeriums untersagt, erst seit diesem Jahr besteht eine eingeschränkte Erlaubnis“, beschreibt Max Bruckmoser die mittlerweile ausgestandene Situation, die mit einer enormen Abnahme der Arbeitsqualität einherging. Telefonisch und per Mail lässt sich Psychologie schließlich nicht praktizieren.

Andererseits sank während der Distanzphasen auch stets die Anzahl der Anfragen, da zwischenmenschliche Probleme an den Schulen nicht mehr auftreten konnten. Die Heterogenität der Klassen erwirkte bei Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts jedoch das exakte Gegenteil und die Schulen überschwemmten die schulpsychologischen Fachkräfte mit Anfragen, schließen Bruckmoser, Klar und Schaffer das Gespräch mit der Heimatzeitung.

Foto und Bericht
Michael Seidl, DA
28.05.2022

 

Schulpsychologie

Das Team der Schulpsychologie Melanie Klar, Max Bruckmoser und Sylvia Schaffner (von links)
ist für alle Grund- und Mittelschulen im Landkreis zuständig.

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