Seit 2002 arbeitet die
stellvertretende Konrektorin der Hauptschule, Sieglinde Waasmaier, mit
Hauptschullehrer Ludwig Ganserer an einem Programm zur Verbesserung der
Schülerleistungen in Mathematik, genannt „Sinus“. Bei Tagungen kamen die
beiden mit Professoren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum in Kontakt,
die als Referenten zu diesem Thema auftraten. Sieglinde Waasmaier und Ludwig
Ganserer selbst stellten in Workshops Kolleginnen und Kollegen aus ganz
Deutschland vor, wie sie die Schwerpunkte des Programms im alltäglichen
Unterricht der Hauptschule umsetzten. An diesen Workshops nahmen auch diese
hochkarätigen Mathematikdidaktiker teil, diskutierten mit den beiden und
zeigten sich sehr beeindruckt von der Arbeit der Frontenhausener Lehrer. In
Gesprächen wurde Sieglinde Waasmaier mehrfach darauf aufmerksam gemacht,
dass es sich lohnen würde, diesen Unterricht wissenschaftlich zu
untersuchen, inwieweit er der Kompetenzentwicklung der Lernenden dienlich
sein würde. Bei Fortbildungen an den Schulen wurden Sieglinde Waasmaier und
Ludwig Ganserer auch oft ganz konkret gefragt, ob dieser Unterricht den
Schülern wirklich mehr bringen würde. Sie selbst waren davon überzeugt,
jedoch fehlte der wissenschaftliche Beweis. Gerade für die Hauptschule gibt
es kaum Untersuchungen in diesem Bereich.
Professor Dr. Ludwig Bauer von der Universität in Passau war von Anfang an
begeistert, Sieglinde Waasmaier als Doktorvater zur Seite zu stehen. So
sammelte sie zunächst über mehr als zwei Schuljahre beispielsweise
Schülertexte aus den Schülerheften. Das Besondere an den Heften war, dass
die Schüler zu den Aufgaben und ihren Rechnungen auch ihre Gedanken und
Überlegungen aufschrieben. Außerdem hielten die Schülerinnen und Schüler
ihre Gedanken und Erfahrungen am Ende von Unterrichtsstunden fest. Natürlich
gab es noch viele weitere Materialien, die in die Untersuchung einflossen.
Besonders wertvoll ist die Arbeit von Sieglinde Waasmaier deshalb, weil sie
Theorie und Praxis miteinander verknüpft. Alles, was sie in ihrer
Untersuchung unter die Lupe nahm, hat sie selbst im Unterricht umgesetzt.
So konnte sie gut nachweisen, dass die Schülerinnen und Schüler an
Hauptschulen wirklich in der Lage sind, selbstständig mathematische
Sachverhalte zu entdecken und über ihr Lernen nachzudenken. Dabei hat die
Lehrkraft die Aufgabe, Schülern Aufgaben bereitzustellen, die diese Arbeit
ermöglichen, und die Schüler individuell in ihrem Lernprozess zu begleiten.
Da es in Bayern im Moment keine Schulbücher gibt, die diese Richtung des
Lernens in der von den beiden Lehrern praktizierten Form zu ermöglichen,
entwickeln sie oft Aufgaben selbst, wobei sie Anregungen aus Lehrbüchern der
Schweiz erhalten.
Unterricht und Promotion unter einen Hut zu bringen war nur deshalb möglich,
weil sie eben wissenschaftlich untersuchte, was sie in der Praxis
durchführte. Gewonnene Ergebnisse konnte die engagierte Lehrerin dann sofort
weiter in die Unterrichtsgestaltung einfließen lassen. Verblüffend sei zu
sehen, sagte sie, wie Schülerinnen und Schüler über ihr eigenes Lernen
schreiben. „Manche Aussagen gehen einem wirklich unter die Haut. Aussagen,
die von Professoren in Büchern geschrieben werden, sind oft in
Schülersprache in Texten enthalten, das ist beeindruckend“, freute sich
Sieglinde Waasmaier. Das sei dann bei aller Belastung Motivation, an der
Arbeit zu bleiben. „Man hofft ja, dass die Ergebnisse der Untersuchung
irgendwie vielen anderen Schülern zugute kommen, ihnen das Lernen
erleichtern und auch Lehrerinnen und Lehrern ein Ansporn sind, selbst ihren
Unterricht in diese Richtung weiterzuentwickeln. Das war das Grundmotiv für
diese immense Arbeit – niemals der Doktortitel“, versichert Sieglinde
Waasmaier.
Natürlich stellt die Kombination Beruf in der Schule und Promotion eine
große Belastung dar. „Ich konnte das nur bewältigen, weil mir viele Personen
eine Hilfe waren. Familie und Freunde zeigten Verständnis, dass es wenig
Freizeit gab“. Viel Verständnis brachte seiner Kollegin Rektor Hans Peter
Fuchs entgegen. Er gab ihr immer wieder zu erkennen, dass er diese Arbeit
positiv sieht, weil es der Schule und ihren Schülern viel bringt. Eine große
Hilfe war für Sieglinde Wassmaier auch die Zusammenarbeit mit Ludwig
Ganserer in der „Sinus-Arbeit“, im Unterrichtsalltag und in kritischen
Diskussionen. Kolleginnen und Kollegen ermunterten sie immer wieder diese
Arbeit zu schreiben. Viel brachte ihr auch der Kontakt zu Professor Wieland
aus der Schweiz. Ihnen allen gebührt wirklich großer Dank, sagte die
Konrektorin. Hauptpersonen seien allerdings ihre Schüler gewesen, ohne die
diese Arbeit nicht entstanden wäre.
Ihr selbst hat die Arbeit einiges gebracht: „Mir wurde immer wieder
deutlich, wie wichtig es ist, seinen eigenen Unterricht kritisch zu
betrachten und daraus Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung abzuleiten.
Ich war oft beeindruckt von den Qualitäten der Schüleraussagen und den
Gedankengängen der Schülerinnen und Schüler. Auch wenn ich immer der Meinung
war, dass man ein Leben lang nicht auslernt, bin ich noch einmal auf einer
ganz anderen Ebene wieder zum Lernenden geworden. Ich lernte
wissenschaftliche Arbeitstechniken und musste dann nach der Bewertung meiner
sehr umfangreichen Dissertation noch eine Prüfung ablegen.“
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